Der Fall Claas Relotius – Symptomatisch für die Branche?

„Lügenpresse“ oder in etwas abgemildeter Weise „Lückenpresse“ schallte es schon dutzendfach von Demonstrationen „Journalisten“ entgegen. Die Branche wehrte sich gegen diese Verlautbarungen und versuchte diejenigen in die „braune“ Ecke zu schieben, die sie derart titulierten. Der Vorwurf der sich gegen die Großen der Branchen – dem Mainstream – erhob, war der, dass sie es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Geschichten der richtige Spin gegeben wird oder komplett erlogen werden. Es wurde nicht mehr über das berichtet „Was ist“, sondern eher aktivistisch „was sein sollte“. Die Journalisten berichten nicht mehr „objektiv – unabhängig davon inwieweit dieses überhaupt absolut möglich ist – sondern subjektiv. Hauptsache es wurden Emotionen geweckt. Hauptsache das richtige Narrativ wurde erzählt. Und was das richtige Narrativ ist, sollte jedem klar sein. Wer diesem in den letzten Jahren nicht folgte, wurde geschasst und verdammt.

Nun hat DER SPIEGEL heute einen seiner Journalisten herausgeschmissen. Sein Name: Claas Relotius. Der Vorwurf: Er hat seine Geschichten gefälscht oder in diesen die Wahrheit „manipuliert“. Eben seinen Geschichten den richtigen Spin gegeben. Proaktiv, so könnte man das Vorgehen des Spiegels nennen. Ein Einzelfall! – hier der große Lügner Claas Rotelius, da die anderen sauberen Spiegel-Journalisten, wenn man dem Narrativ des SPIEGELS folgt. Rotelius stand erst seit 2017 fest unter dem Vertrag des Spiegels. Zuvor war er bei als freier Journalist unterwegs und schrieb für verschiedene andere Zeitungen. Relotius studierte Politik- und Kulturwissenschaften in Bremen und Valencia. Im Anschluß begann er 2009 ein Masterstudium an der „Hamburg Media School“, welches er 2011 beendete. Seine Praktika absolvierte er beim ZDF heute-journal, der Deutschen Welle und der taz. Der Skandal durchzieht zunächst damit die Branche und wirft Fragen nach der Qualitätssicherung auf.

Ein Kommentator auf der Ache des Guten formuliert es beissender [1]:

Der offenbar sehr talentierte Claas Relotius hat den hanseatischen Sonderschülern mit Hochschulabschluss exakt das geliefert, was sie hören wollten: „ … drei Kirchen, zwei Jagdklubs und eine Hauptstraße, die sich kilometerlang zwischen heruntergekommenen Flachbauten hinzieht.“ Mehr ist heute intellektuell dem Leser nicht mehr zuzumuten. Merke: Protestanten können heute auch Protestonkels sein!

Einen sehr interessanten Aspekt wollen wir einmal näher beleuchten. Nämlich der Tatsache, dass Relotius geradezu mit Preisen überhäuft wurde.

So erhielt Rotelius den „Reemtsma Liberty Award“ 2017 [2]. Ausgezeichnet wurde er für zwei Geschichten die er für den SPIEGEL schrieb („Nummer 440“ (DER SPIEGEL 15/2016) und „Königskinder“ (DER SPIEGEL 28/2016).). Die Ehrenrede hielt der angebliche Investigativjournalist Ronan Farrow. 29 Lenze zählte dieser und bevor er damals für den Sender NBC gearbeitet hat, arbeitete er für die „Herrschaften“ Holbroke, Obama und Fr. Clinton. Statt „Herrschaften“ hätte ich natürlich auch schlicht Kriegsverbrecher schreiben können. Hier sehen wir den Spin deutlich, es muss das richtige Narrativ erzählt werden, dann klappt es auch mit den Preisen und ein angeblicher Invetsigativjournalist darf die Rede halten. Dumm nur, dass er zuvor solchen Politikern zuarbeitete. „Niemals mit einer Sache gemein machen“ – das ist doch von gestern.

Dieser Ronan Farrow erhielt den Reporterpreis 2018 in der Kategorie „Sonderpreis für Invetigation“ für eine Recherchen rund um Harvey Weinstein. Hier durfte keine andere als Alice Schwarzer die Laudatio halten. Also jene Dame, die es mit der Sache auch nicht so genau nimmt und hierfür sogar vor Gericht erscheinen musste. Hauptsache das Narrativ des bösen Mannes wird bedient. Und in der Kategorie „Beste Reportage“ durfte Claas Relotius den Preis in Empfang nehmen. Die Jurybegründung für diesen Preis liest sich wie folgt [3]:

Am 16. Februar 2011 sprüht ein Junge in der syrischen Stadt Daraa auf eine Mauer: „Du bist als Nächster dran, Doktor!“ Sieben Jahre, 500 000 Tote und für 14 Millionen Vertriebene später interviewt Claas Relotius diesen Jungen, inzwischen ein junger Mann, der in den Ruinen von Daraa gegen die näher rückenden Assad-Truppen kämpft – und der sich schuldig fühlt für den Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs. Jahrelang hat Claas Relotius, gemeinsam mit syrischen Mitarbeitern, ihm hinterher gespürt und ihn dann per Handy interviewt. Und dann einen Text geschrieben von beispielloser Leichtigkeit, Dichte und Relevanz, der nie offen lässt, auf welchen Quellen er basiert. Ein Stück für die Lesebücher, urteilte die Jury, wenn man sich eines Tages fragt, wie der Krieg in Syrien begann – und vielleicht endete. Inzwischen ist Daraa erobert, und der junge Mann verstummt.

In der Tat, ein Stück für die Lesebücher. Nämlich in der Kategorie Sachbuch über „Fake News“ oder wahlweise auch mit dem Titel „Lügenpresse“. In der 39-köpfigen Jury saßen übrigens u.a. Anja Reschke und Claus Kleber.

Die Jury des Ulrich Wickert Preises entzog ihm heute den Peter-Scholl-Latour-Preis 2018 für seine Geschichte „Löwejungen“. Überreicht wurde ihm der Preis von keinem geringeren als dem Bundesentwicklungsminister Dr. Gert Müller [4]. Für die gleiche Geschichte erhielt er auch den Medienpreises „Kinderrechte in der Einen Welt“ in der Kategorie Print/Online [5]. Als Juroren traten auf: Sabine Heinrich (WDR), Michel Abdollahi (NDR), Dagmar Rosenfeld (WELT), Thomas Kloß (WAZ) und Christian Berger (RTL).

2014 wurde Claas Relotius mit dem „CNN Journalist of the Year“ ausgezeichnet für seinen Beitrag „Der Mörder als Pfleger“. Auch hier sitzen wieder bekannte Journalisten in der Jury und Nina Ruge und Hans Jaenicke lassen sich mit Relotius abbilden [6].

Die angebliche Creme de la Creme des Journalismus sitzt in den Jurys die ihm Preise gibt. Er darf unbekümmert für viele in der Branche schreiben. Und auch der SPIEGEL zieht die Notbremse als es gar nicht mehr anders geht. Den Hohn und Spott der sich z.B. bei Twitter über sie ergiesst hat die Branche redlich verdient. Ob ein Umdenken und „Umschreiben“ wirklich passiert. Man hat nicht den Eindruck, wenn man die ersten Reaktionen so liest. Es zählt eben mehr die richtige Haltung und die Gesinnung. Vermutlich hat man verlernt „objektiv“ zu schreiben oder war diese überhaut Dank Re-Education jemals in den Nachkriegsjahren vorhanden?

 

Quellennachweise:

[1] https://www.achgut.com/artikel/spiegel_entleibt_sich_mit-fake_news_reporter/P10#section_leserpost

[2] https://www.vdz.de/nachricht/artikel/hamburger-journalist-claas-relotius-erhaelt-reemtsma-liberty-award-2017/

[3] http://www.reporter-forum.de/

[4] https://www.allgemeine-nachrichten.de/verschiedenes/medien/ulrich-wickert-und-minister-dr-gerd-mueller-zeichnen-journalisten-aus-ulrich-wickert-preis-fuer-kin/

[5] https://www.kindernothilfe.de/%C3%9Cber+uns/Presse/Pressemeldungen/20_+Kindernothilfe_Medienpreis_+Die+Gewinner+stehen+fest-p-7448.html

[6] https://www.presseportal.ch/de/pm/100013189/100753703

3 Kommentare zu „Der Fall Claas Relotius – Symptomatisch für die Branche?

  1. Wenn es keine „Diesntleister“ gäbe wie die hassrede, dann müsste sich das jeder selbst zusammensuchen. Man muss bedenken, dass sogar ein gut bezahlter Claas vom Spiegel zu faul war zu recherchieren und hier gibt es diese Arbeit umsonst. Guter Artikel! 😉

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